Die erste Musik 1873

An den Beginn unserer Chronik sind Ereignisse gestellt, die in alten Schriften gefunden wurden. Protokolle und Berichte sind erst in späteren Zeiten erstellt worden. Aus alten Rechnungen können wir entnehmen, dass die erste «Müsig» 1873 gegründet wurde. Unter dem Musiklehrer Tschopp, aus Leukerbad stammend, traten Musikanten an Fronleichnam auf. Auf Wunsch der Hoteliers, welche damals bereits weitsichtig handelten und eine Art «Kurmusik» für notwendig fanden, entstand die erste Zermatter Dorfmusik. Musikanten gaben im Sommer kleine Konzerte, spielten am 1. August und zum Dorftanz an Kirchweih (St. Mauritius) auf. Die kirchlichen Feiern und Feste, wie Weihnachten, Neujahr und Fronleichnam wurde ebenfalls von den wackeren Musikern umrahmt.

In der ersten Musik spielten folgende Männer mit:
Furrer Viktor - Bass
Biner Johann (Kurz) -Cornet
Taugwalder Josef (Agathujosi) - Bügel
Kronig Johann (John) - Bariton
Biner Franz - Bügel
Taugwalder Johann - Geige / Basstrompete
Kronig Alois (Tifel) - Klarinette

Am Herrgottstag 1885 spielten bei der Prozession fünf Mann und ein Trommler mit. Hier liegt auch der Ursprung des schönen Brauchs des «Zapfenstreichs» zugrunde, der am Vorabend von Fronleichnam ertönte, sowie die «Tagwache», welche am darauffolgenden Morgen zu Fronleichnam die Leute wecken sollte. Die Gemeinde offerierte am Abend vorher ein Glas Wein. Dieser Brauch ist bis heute geblieben und erfreut sich bei den Musikanten grosser Beliebtheit.
Andreas Julen (Schneider) dirigierte die Musik und übte damals das Volksstück, das Heidenröslein, die Nationalhymne, einen Schottisch, einen Galopp, drei Walzer, eine Polka und eine Mazurka ein.

Die zweite Musik 1889

Von der Neugründung einer zweiten Musik 1889 berichtet das erste Protokoll von Josef Marie Biner, Lehrer, folgendes:

«Erwägend, dass die Musik dem Geiste eines Volkes ein ganz anderes Gepräge gibt, manchmal sogar die Sitten mildert, den freundlichen Verkehr erleichtert, haben sich zur Gründung einer Blechmusik und zu einem erbauenden Verein und Bruderbunde 23 Musikanten zusammengeschlossen: Julen Andreas, Perren Adolf, Biner Peter Anton, Julen Emanuel, Graven Alois, Julen Gabriel, Biner Theodul, Julen Julius, Biner Alois, Julen Elias, Perren Auxilius, Perren Peter, Kronig Josef Marie, Zumtaugwald Julius, Biner Josef (Kurz), Kronig Johann, Taugwalder Rudolf, Biner Josef Marie, Aufdenblatten Johann, Perren Hans Peter, Kronig Gebhard Moser Joseph, Furrer Alphons.»

Bei der Gründung dieser Musikgesellschaft wurde von Laveggi, Negoziant, ein Darlehen von Fr. 1000.- aufgenommen. Es wurde auch eine Gemeindeabstimmung durchgeführt, an der entschieden wurde, Fr. 500.- zur Neugründung des jungen Vereins beizutragen. Die Instrumente kosteten damals Fr. 1230.-, den Rest benötigte man für den Musiklehrer Grichting Hermann. Dem Kassabuch ist zu entnehmen, dass jedes Mitglied Fr. 10.- bezahlte, später einmal Fr. 1.50, dann wieder Fr. 2.- und zuletzt noch Fr. 5.- Jedes Mitglied musste einen Bürgen stellen, damit es in den Verein aufgenommen wurde. Dieser war dafür verantwortlich, dass die Beiträge und auch die Bussen bezahlt wurden. Lauber Johann (Fenderlauber) war Fähnrich der Gemeinde. Weil man sich keine vereinseigene Fahne leisten konnte, schritt er bei den Festen der Musik mit der Gemeindefahne voraus. Der «Napolitaner» Franz, der in napolitanischen Diensten gestanden war und eine alten, prächtigen Uniform besass, befehligte die Prozessionen und Aufzüge. So ist es erwiesen, dass 1889 beim 50. Priesterjubiläum von Pfarrer Welschen, die Musik dabei war.

Statuten der Musikgesellschaft Zermatt 1889

  1. a. Jedes Mitglied muss 10 Jahre in der Gesellschaft bleiben, dann ist es frei.
    b. Beim Austritt werden jedem Mitglied Fr. 20.- verabreicht. Das Instrument bleibt der Gesellschaft.
  2. Tritt ein Todesfall eines Mitgliedes ein, das heisst, wenn es noch Mitglied der Gesellschaft ist, so soll die Gesellschaft ein Seelenamt veranstalten und jeder Musikant verpflichtet sich, sein tiefes Mitleid dem Musikinstrument zu entlocken und zwar unter Strafbestimmung gegenwärtiger Statuten.
  3. Wer ohne Grund aus der Gesellschaft austritt, zahlt eine Busse von Fr. 40.-.
  4. Jedes Mitglied soll sich den Anordnungen des Direktors fügen, widerfalls der Betreffende Fr. 1.- bezahlt.
  5. Im Wiederholungsfall verdoppeln sich die Bussen bis zum Ausschluss, welchen die Versammlung beschliesst.
  6. Wer sich weigert, an angeordneten öffentlichen Anlässen zu spielen, zahlt eine Busse von Fr. 20.-
  7. Wer ein Mitglied in der Versammlung beschimpft, wird das erste Mal ermahnt, das zweite Mal um Fr. 6.-, das dritte um Fr. 12.- und das vierte um Fr. 24.- und Ausschluss bestraft.
  8. Wer sein Instrument aus eigener Schuld verderbt (beschädigt), muss selbes auf eigene Kosten in Reperatur senden und auch bezahlen.
  9. Wem einmal ein Istrument zugeteilt ist, muss selbes behalten, es sei denn, der Direktor verfüge anderst zum Besten der Gesellschaft.
  10. Wer bei üebungen zu spät kommt, zahlt eine Busse von 20 Cts., wer ein halbe Stunde, 50 Cts. Wer nicht erscheint, Fr. 2.-.
  11. Die Strafgelder sollen jeden Monat eingezogen und zu Reperaturen verwendet werden.
  12. Jede nötige Auslage wird durch einen kopfmässigen gleichmässigen Einschuss bestritten.
  13. Das Mitglied ist gehalten, eine annehmbare solidare Bürgschaft zu leisten.
  14. Wer später eintritt, zahlt oder verbürgt ein Kapital von Fr. 70.-, dagegen erhält er das Instrument von der Gesellschaft gratis.
  15. Wenn die Gesellschaft durch Austritt bis auf 3 Mitglieder aufgelöst wird, so haben diese drei das Recht, die Musik fortzusetzen und neue Mitglieder herbeizuziehen und sämtliche Instrumente in ihrem Schoss zu behalten, selbstverständlich ist der Austrende zur Zahlung des Instrumentes gehalten, im Sinne des Art. 12
  16. In der Kirche wird gespielt, Neujahr, Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, Kirchweih, Maria Himmelfahrt, St. Moritz, Weihnachten und Sylvester.
  17. In einer Tanzgesellschaft werden auf Verlangen des Gastgebers die Mitglieder durch den Dirigenten bezeichnet. Es darf aber kein Mitglied spielen ohne die Erlaubnis des Präsidenten, indem die Instrumente der Gesellschaft angehören und diese ein Recht der Entschädigung auf ihr Eigentum besitzt. Die Bezeichnung der Spieler soll möglichst abwechselnd sein.
  18. Wer aus Starrsinn sein Büchlein oder Mundstück nicht hergeben will, wird mit Fr. 10.- bestraft.
  19. Das Komitee besteht aus dem Präsidenten, dem Säckelmeister und Weibel und ist für 1 Jahr gewählt, kann aber erneuert werden.
  20. Die, welche ihr Instrument selber liefern, müssen von der Gesellschaft bei allfälliger Ausbesserung entschädigt werden.
  21. Die, welche ausgetreten und nachher wieder eingetreten sind, zahlen die Hälfte des Instrumentes, wenn sie als unfähig erklärt werden oder zum Lernen untauglich sind.

Späteren Protokollen sind einige Zusatzartikel beigefügt worden:

Art A:
Das bei den Konzerten eingesammelte Geld wird regelmässig unter die Anwesenden verteilt.
 
Art B:
Wer 5 Minuten nach der festgesetzten Zeit erscheint oder vorzeitig wegläuft, ist als abwesend zu betrachten.
 
Art C:
Als Basis gilt die Kirchenuhr oder, bei deren Stehenbleiben, die Telegraphenuhr.
 
Art D:
Es werden Strohhüte angeschafft. Diese müssen bei jedem öffentlichen Auftreten getragen werden, und wenn nicht, zahlte der Fehlbare 1 Fr. Busse.

Der damalige Taglohn betrug ungefähr 3 Fr., so erscheinen die verschiedenen Bussansätze, über welche man genau Bescheid wissen musste, recht hoch.

1891 begab sich die Musik ans Musikfest in St. Maurice. über dieses Fest wird heute noch gesprochen, denn es war ein ganz Besonderes. Die Reise dauerte drei volle Tage. Zu Fuss gelang man durchs Vispertal, in Visp bestieg man die Eisenbahn und fuhr zum Festort. Man spielte: «Die Gladiatoren der Stierkämpfe», eine spanische Fantasie. Der Erfolg war gross und wurde reichlich begossen. Die anschliessende Heimreise durchs Vispertal betrug aber noch 2 Tage. An jenem 2. Mai 1891 fuhr noch keine Bahn durchs Nikolaital, so wurde in jedem Ort ein Halt eingelegt und dem guten Wein, den Liter zu Fr. 1.20, ordentlich zugesprochen. Nachdem man natürlich gehörig über den Durst getrunken hatte und sich dann langsam von den Strapazen erholt hatte, kam der grosse Katzenjammer: Verbeulte und zerschlagene Instrumente, schwere Köpfe. Die Firma Hirsbrunner in Aarau reparierte, die Gemeinde übernahm einen Teil der Kosten und garantierte einen jährlichen Beitrag. So konnten die Ereignisse des Musikfestes in St. Maurice abgeschlossen werden.

Dieser Rechnungsauszug zeigt entstandene Ausgaben der Musikgesellschaft an diesem Fest:

1.Mai Dem Joh. Biner für Edelweiss fürs Musikfest 1.50 Fr.
2.Mai Ankunft in St. Niklaus (zu Fuss) 5 Liter Weissen 6.- Fr.
  Eintritt ins Musikfest 35.- Fr.
  35 Mittagessen in Visp 31.50 Fr.
  Kellnerin Trinkgeld 1.- Fr.
  Bahn Visp - St. Maurice 112.20 Fr.
3.Mai 3 Liter nach dem Konzert 2.60 Fr.
  Bankett 35 Mann 132.- Fr.
4.Mai Bankett 35 Mann 52.- Fr.
  Bahn Visp - St. Niklaus 19.80 Fr.
  2 Liter in Herbriggen 2.40 Fr.

Musiklehrer und Dirigenten waren damals Vater und Sohn Adrian und Hermann Grichting aus Leukerbad. Dem Protokoll vom 11. September ist zu entnehmen, dass die Musik beschliesst, Adolf Perren, des Johann, als Musikdirektor-Aspiranten für drei Monate nach Aarau zu schicken, um bei der Firma Hirsbrunner das nötige Rüstzeug zu Musikdirektor zu holen. Die Ausbildung übernahm Professor Burgmeier. Der Verein erklärt sich bereit, ihm Reise, Kost und Logis zu bezahlen, sowie das Material und die Unterrichtsstunden. Er, der angehende Lehrer und Meister, verspricht, der Musik zu dienen und umsonst zu unterrichten, solange dies von der Musikgesellschaft gewünscht wird. Adolf Perren war der Vater des langjährigen Präsidenten Oskar Perren.

1895

hat der Verein, der nun sehr oft übte und gute Erfolge zu verzeichnen hatte, folgende Aspiranten aufgenommen:

Biner Albert (Stäffisch)
Biner Alfons, später Lokführer GGB
Graven Emil
Taugwalder Heinrich, ds Eimisch
Perren Moritz, Hofmuri
Perren Peter
Perren Kasimir
Taugwalder Theodor

Natürlich war jeder wieder verpflichtet, einen Bürgen zu stellen. Im Protokoll hiess es ebenfalls, dass die Musik im Sommer vor den Gaststätten und Hotels auftreten will, das dabei verdiente Geld soll dann unter die Spieler verteilt werden. Dabei muss dreimal die Woche gespielt werden. Ferner stand im Protokoll, dass jedes Mitglied anständig gekleidet erscheinen muss.

Vom sogenannten Konzertgeld blieb oft nicht viel übrig. Das zeigt die Tatsache, dass der eingenommene Betrag, beim Spiel auf Riffelalp sofort unter die Bläser verteilt wurde. Beim anschliessenden Nachhauseweg trank man zuerst vor dem Hotel Riffelalp einen Schluck, auf der Riti einen zweiten, im Moos den dritten, so dass der Geldsack bei der Ankunft im Dorf wohl wieder leer gewesen war.

Noch ein Wort zu den Bussen. Obwohl sie ihren Zweck nicht verfehlten, nahm man es mit dem Einziehen sehr genau. Wir können dies den alten Schriften entnehmen, wo wir eine gerichtliche Vorladung, ein «Bot», für drei Musikanten finden, welche die Busse nicht bezahlt hatten. Richter Johann Zurniwen lud die Säumigen, nachdem man ihnen den Rechtsvorschlag gemacht und sie betrieben hatte, am 21. März 1892 zur Verhandlung über den Zahlungsbefehl Nr. 80 ... ein.

Von einem anderen Ereignis wissen wir, dass ein Musiklehrer einen Musikanten aufgefordert hat, einen Satz zu spielen. Dieser weigerte sich. Seine Kameraden baten ihn: «Spill doch!» Er entgegnete: «Hitu blas i nid. More gseht schi de.» Er wurde gebüsst, zahlte aber nicht. So stand ihm die Betreibung ins Haus. Die Kosten für «Bot» und Pfändung betrugen Fr. 8.50.-, die Strafe für den Ausschluss Fr. 65.-. Es kam soweit, dass sein Vater ein Kalb verkaufen musste, um die Strafe zu begleichen.

1899 an Sylvester erfreute die Musik mit ihren sehr guten Bläsern Gäste und Einheimische. Vor der Kirche blies eine fürchterliche «Guxa». Der Sturm trug das Dach von den Magazinen beim Derbyhotel an den Hang beim St. Theodul. Alles rannte in die Kirche und die Häuser. Die Erzählung sagt, dass jedoch Julen Gabriel, Bariton, und Julen Emanuel, Trompeter, das Stück inmitten des Sturmes zu Ende gespielt haben.

Um die Jahrhundertwende versandete die Begeisterung für die Musik, der Mitgliederbestand schrumpfte und der Verein fiel auseinander.

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